Ich war noch niemals in New York (10)

Die Fahrt von Coney Island zurück nach Manhattan zieht sich in die Länge. Diesmal habe ich einen Local Train erwischt, der im Gegensatz zum Express an jeder kleinsten Station hält. Die Seeluft hat mich angenehm müde gemacht. Es fällt mir schwer, mich zu motivieren in Downtown noch einen Zwischenstopp einzulegen. Aber ich muss dringend ein paar Besorgungen machen und letzte Mitbringsel erstehen. Nachdem ich mich durch Geschäfte, anschließend durch den Berufsverkehr und volle U-Bahn-Schächte zurück nach Hause gekämpft habe, bleibt mir eine halbe Stunde. Um halb Acht bin ich mit Dirk verabredet. Eigentlich bin ich fix und fertig. Doch die Freude auf den Abend weckt die letzten Reserven. Es ist schön, dass ich in der Stadt, in der ich bis vor kurzem keine Menschenseele kannte, jemanden wie Dirk begegnen durfte. Zum zweiten Mal treffe ich ihn. Ich bin dankbar, dass wir eine Woche vor Abflug über Facebook miteinander bekannt gemacht worden sind. (Mein Dank gilt Stella!) Sein N.Y.-Fotoblog Emotive Pixelations hat mich auf Anhieb begeistert. Die Aufnahmen, der Blick des Fotografierenden, berühren mich auf eine ganz besonder Weise. Menschen im Alltag der New Yorker U-Bahn zu porträtieren, ist eines seiner Projekte. Und es gibt dort wirklich jede Menge zu beobachten. Eine Attraktion für sich.

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Dirk will mir in Chinatown ein  “Dumpling House” zeigen. Von „Dumplings“ hatte ich bislang noch nie gehört. Und sie erweisen sich als echte Offenbarung. Teigsäckchen, die entfernt an Maultaschen erinnern, mit diversen Füllungen. Rein vegetarisch oder mit verschiedenen Fleisch-, Geflügel- und Fischfüllungen. Wir suchen quer durch die Karte von allem etwas aus. Die Einrichtung in „Vanessas Dumplings“ in der 118 A Eldridge Street ist schlicht: Holztische und einfache Hocker. Die Küche ist offen. Man bestellt an der Theke. Eine Asiatin mittleren Alters, vielleicht ist es Vanessa selbst, notiert die Wünsche. Drei Köche bereiten die Speisen zu. Sobald ein Gericht fertig ist, werden Zahlen und Begriffe in den Gastraum gerufen. Er ist klein und überfüllt. Es ist kein Touristenort, sondern ein Platz für New Yorker. Ich fühle mich wohl, so mittendrin. Die Dumplings sind köstlich. Und die Preise unschlagbar günstig. Nicht einmal 20 Dollar zahlen wir zu zweit und sind rundherum satt. Ich hätte nicht geglaubt, dass das in New York möglich wäre.

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Nach dem Essen bummeln wir durchs nächtliche Chinatown Richtung Houston Street. Sie ist eine der Ost-West-Hauptverkehrsadern und verläuft über die komplette Breite Manhattans. Der Straßenname wird nicht etwa wie die texanische Stadt ausgesprochen, sondern mit „au“ und ohne „e“: Haustn, sagt Dirk. Wir laufen am New Museum vobei, Manhattans jüngstem Austellungshaus, das einer Anzahl aufgestapelter Schuhkartons ähnelt und seit 2007 Avantgardekunst ausstellt. Einer der vielen Orte, den ich während meines Aufenthalts von innen nicht mehr sehen kann, obwohl ich mir das eigentlich vorgenommen hatte. Unweit davon liegt „Katz’s Delicatessen“. Berühmt für seine Pastrami-Sandwiches und Schauplatz der Orgasmus-Szene aus „Harry & Sally“. Ich bleibe einen kurzen Moment stehen, schaue durchs Fenster in den voll besetzten, riesigen Gastraum. Die Einrichtung und das Ambiente des 1881 eröffneten Diners mögen authentisch sein und doch wirkt alles durch die überfrachtete Detailiertheit wie eine Kulisse. Hinein zieht es uns nicht. Dann doch lieber in die gegenüberliegende Eisdiele, deren Inneres aus Chrom, Glas und Beton besteht. Man fühlt sich an ein Versuchslabor erinnert. Und tatsächlich, der Name der Eisdiele lautet „il laboratoria del gelato“. Ich wähle “Ginger” und “Toasted Almond”. Das Eis ist unglaublich teuer, wie überall in New York, aber es ist jeden Cent wert. Ich kriege mich gar nicht ein, so gut schmeckt Ingwer. Und als wäre das nicht ein krönender Abschluss des Abends, erwartet uns in der U-Bahn noch eine Künstlerin, die einer Säge magische Melodien entlockt. Wir bleiben eine  Weile stehen. Die Klänge faszinieren mich. Am liebsten möchte ich alle umarmen. Dabei wird mir schmerzlich bewußt, dass dies mein letzter Abend in New York ist.

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Von den letzten Stunden in New York vor Abflug am nächsten Tag habe ich in Teil (2) erzählt: https://papierschiffchen.wordpress.com/2012/05/12/ich-war-noch-niemals-in-new-york-2/

 

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Ich war noch niemals in New York (9)

Kaiserwetter in New York am 30. April 2012. Stahlblauer Himmel ohne Wolken, frühsommerliche Temperaturen. Ich verwerfe den eigentlichen Plan, das P.S.1 zu besuchen. Das Museum, ein Ableger des Museums of Modern Art, gilt als heilige Halle der Gegenwartskunst, abgelegen in Queens angesiedelt, doch mit spektakulärem Ruf. Dort läuft gerade eine Ausstellung, die sich mit dem Werk der deutschen Elektro-Musik-Pioniere Kraftwerk beschäftigt. Anfang April gab die Gruppe im MoMA eine Reihe von acht Konzerten, die als großes Ereignis gefeiert wurden. Die begleitende Ausstellung im P.S.1 klingt vielversprechend. Aber an diesem Tag fällt mir der Verzicht leicht. Ich will lieber ans Meer.

Von Manhatten an den Strand gelangt man mit der U-Bahn. Ich steige an der Upper West Side in die Bahn, steige einmal um und nach rund einer Stunde bin ich da. Nimm die Linie B oder Q nach Brighton Beach und laufe dann zu Fuß die Promenade entlang bis Coney Island. Von dort gehen mehrere Linien zurück, hatte mir ein Freund geraten. Als ich aussteige, bin ich orientierungslos. Ich gehe eine befahrene Straße entlang, die von einer Strahlkonstruktion überbaut ist. Links und rechts sind Geschäfte, die Bordsteine voller Menschen. Es ist laut und bunt. Als ich das Straßenschild „Brighton Beach Avenue“ entdecke, biege ich ab. In wenigen Minuten habe ich die Küste erreicht. Mitten aus der größten Hektik direkt in den Urlaub.

Trotz des herrlichen Wetters ist der Strand verlassen. Es ist Montag. Die Saison hat noch nicht begonnen. Die meisten Cafés und Läden sind geschlossen. Schmucklose Gebäude und etliche Hochhäuser säumen die Promenade. Ich gehe ans Wasser, setze mich in den feinen hellen Sand und schaue hinaus. Die Luft ist kühl. Grelle Mittagssonne. Ich kneife die Augen zusammen. Ein paar Schiffe sind am Horizont zu sehen. Möven fliegen durcheinander. Wie gerne hätte ich in diesem Augenblick einen vertrauten Menschen neben mir. Den Moment teilen, gerne schweigend, aber gemeinsam erleben. Die Wehmut des Alleinereisens. Sie macht sich immer wieder breit. Und hat einen eigenen Reiz. Ich lasse den feinen Sand durch meine Hände rieseln, schaue weiter aufs Meer. Für den Abend habe ich eine Verabredung, mit Dirk. Was wirklich fehlt, ist eine Sonnenbrille.

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Die Promenade zwischen Brighton Beach und Coney Island ist ein hölzerner „Boardwalk“. Er wirkt, genauso wie die Restaurants und Läden, als hätte er die besten Zeiten schon lange hinter sich. Weniger freudlich ausgedrückt: Das Ganze ist reichlich heruntergekommen. Vom „morbidem Charme“ ist oft die Rede. Wenige Menschen bummeln ziellos herum. Nach und nach fällt mir auf, dass die Wortfetzen, die ich im Vorbeigehen aufschnappe, nicht amerikanisch sind, sondern russisch. Ich wundere mich. Später erfahre ich, dass sich in den Wohnblöcken von Coney Island und Brighton Beach von je her hauptsächlich sowjetische Einwanderer jüdischer Abstammung niedergelassen haben. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es eine neue Zuzugswelle. Der größer werdende Einfluss russischer Familien hat der Gegend den Spitznamen „Little Odessa“ eingebracht.

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An Sommerwochenenden strömen bis zu einer halben Millionen Menschen an den Strand. Zusätzliche Attraktionen sind das New York Aquarium und der Vergnügungspark. Sein Areal ist vergleichsweise klein und auch das  Riesenrad besticht mehr durch seinen Wiedererkennungswert als durch Größe. Der in den 1880er Jahren errichtete Park hatte  in den 1950ern eine ähnliche Bedeutung wie heute Disney Land. Ich stelle mich an den Zaun. Auf dem Gelände werden Instandhaltungsarbeiten verrichtet. Es dauert nur noch ein paar Tage bis das bunte Treiben beginnt, wie bereits seit 130 Jahren.

Es gibt noch eine weitere Attraktion, die Coney Island zugeschrieben wird. Die Hot Dogs sollen hier erfunden worden sein. „Nathan’s“ ist ihre Geburtsstätte. Enttäuscht stehe ich auf der Promenade vor der geschlossenen Bude mit dem geschwungenen Schriftzug. Kurz darauf, auf dem Weg zur Metro-Station Coney Island, eröffnet sich vor mir ein weiteres „Nathan’s“. Das Haupthaus des legendären Imbis ist geöffnet. Die Bude am Strand nur ein Ableger. Es werden neben Hot Dogs auch Hamburger und „Seafood“ angeboten. Ich bleibe beim Klassiker, bestelle dazu eine Cola. Das muss sein. Mit der Fast-Food-Tüte laufe ich zurück zur Promenade und setze mich auf eine Bank. Eine amerikanische Snackpause wie aus dem Bilderbuch.

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Ich war noch niemals in New York (8)

Brooklyn. Vor Reiseantritt war der Name des südlich von Manhattan gelegenen Stadtteils mir immer wieder zugeraunt worden. Einige Male wurde mir ans Herz gelegt, mich direkt in dem upcoming borough einzuquartieren, weil dort derzeit viel Aufregenderes passieren würde als im gediegenen und etablierten Manhattan. Noch dazu sei Brooklyn im Vergleich bedeutend günstiger: das Übernachten, das Essen gehen, die Musik-Clubs, alles. Manchmal war allerdings auch von „zugigen Ecken“, Raubüberfällen in unbeleuchteten Straßen und schlechten Verkehrs-Verbindungen die Rede gewesen. Als ich in der U-Bahn sitze, die mich in weniger als einer halben Stunde hinbringt, bin ich gespannt. Orte des Umbruchs faszinieren mich. Und tatsächlich: Es ist zwar nur ein kleiner Teil, den ich an einem halben Tag von Brooklyn mitbekomme. Aber der macht Lust auf mehr. Vielleicht nehme ich mir beim nächsten New York Besuch tatsächlich direkt dort ein Zimmer. Lange halte ich mich an der Uferpromenade von Brooklyn Heights auf. Es gibt viel zu beobachten. Vom roughen Videodreh bis zur Großhochzeit. Der Blick auf Manhattan ist großartig. Genau wie der hausgemachte Coconut Cake im nahe gelegenen Café „One Girl Cookies„.

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Zurück nach Manhattan spaziere ich über die Brooklyn Bridge. Der ultimative Postkarten-Kick. Dann laufe ich einfach weiter. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich auszuruhen oder zur Abwechselung mal ein Museum zu besuchen. Die Stadt ist mein Museum. Ein riesiges Freilichtmuseum von dem ich einfach nicht genug bekommen kann. Das Staunen treibt mich weiter und weiter, durch die Straßen, in die U-Bahn und wieder hinaus, einen anderen Teil der Stadt zu erkunden. Chelsea habe ich noch auf der Liste – und dort: die High Line. Eine ehemalige Hochbahntrasse, die einst dem Güterverkehr diente, dann lange Zeit ungenutzt blieb und nach und nach abgerissen wurde. Ein 2,3 Kilometer langes Teilstück blieb bestehen und wurde seit 2006 zu einer grünen Oase umgestaltet. Es ist ein moderner Park auf Stelzen. Spektakulär. Aufgrund der mittigen Höhe werden dem Spaziergänger ungewöhnliche Blicke eröffnet. Die Grünanlagen sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Es gibt viele Bänke und Sonnenliegen aus Holz. Ich gehe die komplette High Line entlang, bin zunehmend begeistert. In Dachgärten stellen Künstler ihre Werke aus. Es ist schlichtweg überwältigend.

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Eine beeindruckende Fotostrecke hat das Magazin Abenteuer und Reisen HIER veröffentlicht.

Nach dem Höhenspaziergang muss es dann doch noch „Sex and the City“ sein. Am südlichen Ende der High Line befinde ich mich in unmittelbarer Nähe zur Perry Street. Die enge von Laubbäumen gesäumte Straße zwischen West 4th Street and Bleecker Street im beliebten West Village hat spezielle Berühmtheit erlangt. Im Haus Nummer 64 befindet sich Carrie Bradshaws Appartment – der original Drehort, Carries Haus, der Treppenaufgang, den sie in fast jeder Folge einmal hinauf- oder hinabstöckelt, ein sogenanntes „Brownhouse Townhouse“. Irgendwie ist es peinlich, dazustehen und ein Haus anzustarren, das ein Filmset war, im Alltag jedoch ein ganz normales Wohnhaus sein sollte. Ein „Betreten verboten“-Schild versperrt den Weg zum Eingang, damit Serienfans sich nicht à la Carrie auf die Stufen setzen. Daneben hängt ein weiteres Schild, das um Rücksicht auf die Bewohner bittet. Ich stelle mich auf die gegenüberliegende Straßenseite, rufe mir die Filmbilder ins Gedächtnis. Hastig schieße ich ein Foto als die nächsten Fans kommen und gehe weiter.

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Auf dem Weg nach Hause in die 108 Street West muss ich am Columbus Circle (59 Street) umsteigen. Wie üblich irre ich eine Weile herum bis ich die richtige U-Bahn-Linie finde. Das New Yorker Verbindungsnetz ist übersichtlich, doch die Stationen und deren Beschilderungen sind es nicht. Endlich am richtigen Bahnsteig angelangt, treffe ich, wie so oft, auf Musiker.  Mit leeren Farbeimern erzeugen sie einen psychedelischen House-Klangteppich. Ich mag den Sound. Den grasgrünen  „I (Herz) New York“-Partnerlook mag ich genauso. Mein Zug kommt, doch ich höre weiter zu. Die Geräusche der U-Bahnen, die den Schacht hinein- und hinausrauschen, verschmelzen mit der Komposition. Und da ergreift es mich wieder, wie bereits etliche Male an diesem Tag: Dieses Herz, Seele und Körper erfüllende Glücksgefühl, das die Stadt immer und immer wieder in mir erzeugt. I (Herz) New York. I really do!

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Ich war noch niemals in New York (7)

Mit Dirk plaudernd die Straße entlang zu spazieren, fühlt sich gut an. Neben ihm werde ich zu einem Teil der Stadt. Der Washington Square Park liegt bereits einige Blocks hinter uns. Wir verlassen den Broadway. Im Vorbeigehen lese ich Straßenschilder: Broome Street, Mott Street, Mulberry Street… – ich habe das Gefühl, die Namen alle schon gehört zu haben. Manchmal bleibt meine Aufmerksamkeit an Details hängen: eine rote Eingangstür, ein schrill dekoriertes Schaufenster, ein handbemaltes Restaurantschild – und der Impuls, ein Foto machen zu wollen stellt sich ein. Doch gebe ich ihm nicht nach. Zu kostbar ist der Moment. Anhalten, die Konzentration auf die Kamera und das Motiv lenken, würden das Gefühl, eins zu sein mit den Menschen und dem Rhythmus der Stadt empfindlich stören. Ich genieße es, mich erstmals nicht als außen stehender Beobachter zu fühlen.

Immer weiter Richtung Süden geht es. Während Soho, Greenwich Village und East Village schwer voneinander zu unterscheiden sind, ist Little Italy aufgrund der hohen Trattoria-Dichte eindeutig zu identifizieren. Nichts jedoch gegen Chinatown. Hier betritt man eine ganz eigene Welt. Es ist fast so, als wechele man nicht nur einen Block sondern als betrete man einen anderen Kontinent. Chinesische Schriftzeichen überall. Je tiefer man in das Viertel hineintaucht, je mehr werden es. Irgendwann weisen nicht einmal mehr die Schilder vor den Supermärkten ihre Angebot in englischer Sprache aus. Chinesen bevölkern die Straßen. Man fühlt sich fremd. Es ist ein riesiges Gewimmel auf engstem Raum. Als wir bald den Financial District erreichen, bin ich erstaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass wir so schnell dort sein würden. Die Entfernungen innerhalb Manhattans sind bei weitem nicht so gigantisch, wie ich mir das vorgestellt hatte.

Zwischen Italien und China liegt nur eine einzige Straße… Da ich selbst nicht fotografiert habe, ist dieses Bild entliehen.  Foto: Tyso/wikipedia

Man fühlt sich seltsam in der fremden Welt mitten in Downtown New York. Foto: chensiyuan/wikipedia

New York Stock Exchange Foto: Anke Steinfadt

New York Stock Exchange. Hier rollt der Rubel der Wall Street.

An der Staten Island Ferry am südlichsten Zipfel Manhattens heißt es dann Abschiednehmen von Dirk. Ich möchte mit der kostenlosen Fähre hinüber nach New Jersey fahren, an der Freiheitsstatue vorbei. Ein Tipp aus dem Low-Budget-Reisführer. Dirk hat noch etwas Berufliches zu erledigen. „Wenn du möchtest, können wir uns an einem anderen Tag noch einmal treffen“, sagt er. Ich nicke. Sein Angebot freut mich sehr. Eine feste Verabredung treffen wir noch nicht. SMS von meinem deutschen zu seinem amerikanischen Mobiltelefon funktioniert einwandfrei. Ich reihe mich in die Schlange der An-Bord-Gehenden. Die Überfahrt dauert ungefähr zwanzig Minuten. Und dabei komme ich ihr nahe: der berühmten Freiheitsstatue. Nicht ganz so nahe wie von einem Wassertaxi oder einem Rundfahrschiff aus, dafür jedoch ist das Erlebnis gratis. In New Jersey angekommen, nehme ich direkt die nächste Fähre zurück. Während auf dem Hinweg das Schiff mit Berufspendlern überfüllt war, ist es nun so gut wie leer. Ich sitze am Fenster, werfe einen erneuten Blick auf die Statue und die immer näher kommende Südspitze Manhattans und bin wieder einmal, wie so oft schon in New York, sehr sehr glücklich.

Zurück in Manhattan, verwerfe ich das Vorhaben, Ground Zero zu besuchen. Das Gelände begehen, die Geschichte Revue passieren lassen, die Gedenktafeln an der „Wand der Helden“ studieren – ich spüre, dass mir das an diesem Tag, an dem ich schon so lange auf den Beinen bin,  zu viel würde. Der neue Turm ragt bereits weit in den Himmel. Die Bauarbeiten sind schon sehr weit gediehen. Bald ist das One World Trade Center (1 WTC) fertig. Es wird das höchste Gebäude der Vereinigten Staaten sein. Den Kopf in den Nacken gelegt stehe ich da und wundere mich, dass sich die Bilder des 11. September in diesem Moment nicht ganz automatisch in mein Bewußtsein drängen. Ich sehe einfach nur staunend den fast fertigen Turm an. Leibhaftig an diesem Ort zu sein, hatte ich mir bedrückend vorgestellt. Nun bin ich schlicht überwältigt vom Neuen.

One World Trade Center (1 WTC) Ende April 2012 vor herrlichem Himmel. Foto: Laura Thieme (eine meiner New Yorker Flatmates. Danke!)

Um mich herum wimmelt es von Touristen. Mehrere Busse entlassen gleichzeitig Reisegruppen ins Freie. Und ich spüre meine Erschöpfung. Schmerzenden Fußes begebe ich mich auf die Suche nach einer Subway-Station. Planlos laufe ich herum, in der Hoffnung der Zufall möge mir den Weg weisen. Es dauert ewig, bis ich einen Eingang finde. Gut möglich, dass ich an mehreren bereits vorbei gelaufen bin. Die Abgänge zu den Subway-Stationen sind in New York häufig nicht besonders auffällig. In die nächstbeste Bahn, die in Richtung Norden fährt, steige ich ein. Es gibt auf der Strecke eine Haltestelle „110th Street“, nicht weit von der 107th Street, in der ich wohne. Zwar auf der East Side statt auf der West Side, aber das ist mir in diesem Moment egal. So weit kann es ja von dort nicht sein, denke ich. Einmal die Breite des Central Parks nach Hause zu laufen, ist besser als noch einmal kompliziert umsteigen zu müssen. Ein Irrglaube wie sich bald herausstellen wird.

Irgendwo in New York auf der Suche nach der Subway.

Dass es doch einen erheblichen Unterschied macht, anstelle der 108th Street West an der 110th Street East auszusteigen, erfahre ich vor Ort. Als ich aus der Subway auf die Straße schwappe, beschleicht mich sofort ein mulmiges Gefühl. Nicht, dass mich Straßengangs erwartet hätten, die um eine brennende Mülltonne herumstehen. Das nicht. Aber die Passanten in dem Viertel rufen meine Instinkte zu höchster Wachsamkeit. Ich krame meine Mütze aus der Tasche, ziehe sie so tief wie möglich ins Gesicht, verberge es so gut es geht und richte meinen Blick stur auf den Bordstein vor mir. Ich laufe entschlossen in die Richtung von der ich hoffe, dass es Westen sei. Den Stadtplan herauszuholen, kommt nicht in Frage. Ich will mich hier auf keinen Fall als Touristin zu erkennen geben. Fest setze ich einen Fuß vor den anderen. Die Straße ist jetzt menschenleer. Und dann muss ich auch noch durch eine Unterführung! Mein Herz kopft bis zum Hals. Ich trete noch fester auf, mache mich so schwer es geht.

Als ich den kurzen Tunnel schließlich durchschritten habe, wirkt plötzlich alles heller. Es ist, wie schon im Wechsel von Little Italy zu Chinatown: an der Grenze zwischen zwei Blocks ändert sich die Atmosphäre schlagartig. Ich atme auf und ziehe die Mütze vom Kopf. Bald darauf sehe ich den Central Park. Nur noch den passieren, dann bin ich zu Hause.

Von der [M] Haltestelle 110th Street/Lexington Ave westlich des Central Parks quer hinüber auf die Eastside mit der Mütze tief im Gesicht. Beim nächsten Mal würde ich doch lieber noch einmal umsteigen.

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Ich war noch niemals in New York (6)

Am Esstisch in Simones Wohnung sitze ich, mit der zweiten Tasse Kaffee, und fühle mich wohl. Kein Frühstücksraum, auch nicht im teuersten Hotel der Stadt, könnte so ein entspanntes Gefühl hervorrufen. Zumal ich die Wohnung wieder für mich ganz alleine habe. Die Mädels aus Kiel habe ich nur noch kurz gesehen. Sie wollen Räder leihen und einen Ausflug nach Brooklyn machen. Mit dem Rad über die Brooklyn Bridge. Ein guter Plan. Gastgeberin Simone geht jeden Morgen gegen acht aus dem Haus. Sie arbeitet in einem Redaktionsbüro, das die Regenbogenpresse in Deutschland mit Themen beliefert, bis spät in den Abend.

Ich blättere im New Yorker Stadtmagazin Time Out, notiere mir die Termine einiger Konzerte, die ich während meines Aufenthalts besuchen könnte. Die Wahrscheinlichkeit alleine hin zu gehen, ist gering, aber Aufschreiben kann ja nichts schaden. Als sie Sonne hervorkommt, zieht es mich wieder in den Central Park. Ich laufe zum nahe gelegenen Harlem Meer, wo ich mich auf einer Bank niederlasse. Die Luft ist noch kalt, aber die Sonne wärmt angenehm. Während ich aufs Wasser schaue, lausche ich dem Gespräch eines Pärchens, das auf der Bank neben mir Platz genommen hat. Sie reden über den vorigen Abend, den sie in einer Bar verbracht haben und lästern über die Freunde, die dabei gewesen sind. Die beiden sind schätzungsweise Anfang zwanzig, Afroamerikaner, in Jogginghosen und Sweatjacken, mit Chucks und und modischen Frisuren. Man könnte sie jetzt und hier, auf der Parkbank vor authentischer Kulisse, genau so wie sie sind, für ein Jugendmagazin oder einen Streetwear-Modeprospekt ablichten. Das Mädchen lächelt in in einem fort, kichert, während der Junge markige Sprüche macht, die ich leider oft nur halb verstehe. Dennoch lache ich innerlich die ganze Zeit mit und bin richtig traurig als das Paar Hand in Hand weiter seines Weges zieht.

Harlem Meer, eine von sieben Wasserflächen, am nord-östlichen Ende des Central Parks gelegen. Das angrenzende Lasker Pool Freibad öffnet im Juni.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, an diesem Vormittag Harlem zu erkunden: die Gegend um die 125ste Straße mit dem berühmten  Apollo Theater wo einst Jazzgrößen wie Luis Armstrong und Ella Fitzgerald auftraten neben Soul-Ikonen wie Diana Ross und James Brown – und die Weltkarriere von Michael Jackson ihren Anfang fand. Die Zeiten, in denen es gefährlich war, sich als Tourist, insbesondere mit heller Hautfarbe, in dieser Gegend alleine zu bewegen, sind vorbei. Zumindest tagsüber, so habe ich es gelesen, könne man ohne Bedenken auf eigene Faust eine Tour unternehmen. Aber ich kann mich einfach nicht aufraffen. Mittlerweile ist die Zeit auch schon zu knapp für eine Harlem Tour. Um fünfzehn Uhr treffe ich Dirk. Ich bleibe noch eine Weile im Park, bevor ich mich auf den Weg Richtung Downtown mache. Für das Treffen habe ich den Washington Square Park vorgeschlagen, weil dort heute das „Dachshund Festival“ stattfinden soll. Ein Fest für Freunde des deutschen Dackels, von denen es in New York angeblich eine große Anzahl geben soll. Zweimal im Jahr findet das Dackelfest statt. Auf den Termin war ich während meiner Reisevorbereitungen gestoßen.

Eine gute Stunde zu früh komme ich in Greenwich Village an und laufe eine Runde durch das Viertel. Für viele ist es neben Soho, East Village, Chealsea, Nolita, West Village und Tribeca, die fließend ineinander übergehen, der place to be in New York. Es gibt unendlich viele kleine, feine Mode-, Design- und Plattenläden in dieser Ecke, außerdem Galerien und nette Cafés und Bars. Ehrfürchtig stehe ich vor dem legendären Blue Note Jazz Club, bummele an Schaufenstern entlang, schaue in Cafés hinein und gönne mir schließlich in einer offensichtlich angesagten Eisdiele zu einem horrenden Preis zwei vorzügliche Kugeln Eis. Umgerechnet fast fünf Euro für zwei relativ normal große Kugeln, in New York kein ungewöhnlicher Tarif. Gegenüber der Eis-Diele, vor der die Schlange jetzt noch länger geworden ist, entdecke ich dieselbe Band, die ich am Vortag bereits vor dem Metropolitan Museum of Arts gesehen habe: „Acapella Soul“. Ein ziemlich unglaublicher Zufall, wie ich finde. Ich höre gerne noch einmal zu und werfe den obligatorischen Dollar in den Hut, ein für Straßenmusik allgemein beliebter Tarif. Im Gitarrenkoffer bilden die Scheine bereits einen kleinen Berg. Je näher es auf fünfzehn Uhr zugeht, desto nervöser werde ich in Anbetracht des bevorstehenden Termins – und das, obwohl es sich nicht einmal ein Blind Date im klassischen Sinne handelt.

Am Washington Square Arch, einem Triumphbogen aus weißem Marmor, dort wo die 5th Avenue auf den Park trifft, sind wir verabredet, in zwanzig Minuten. Mit einer Breite von 100 und einer Länge von 300 Metern ist der an der New York University gelegene Washington Square Park verglichen mit dem Central Park ein echter Winzling; doch ist er ebenso bekannt. Seit den 40ern ist er ein Treffpunkt für Musiker. Anfang der 60er hat Bob Dylan hier gespielt. Es gab immer wieder Probleme mit der Stadtverwaltung wegen der Lautstärke. 1961 kam es sogar zu einem „Beatnik-Aufstand“, als die Polizei das Musizieren untersagen wollte. Noch heute dient der Park im Herzen von Downtown weniger der Erholung als der Unterhaltung. Das kreisrunde Becken des Brunnens, in dem im Sommer die Kinder platschen, ist trocken gelegt die ideale Bühne für Kleinkünstler. Dicht gedrängt stehen die Menschen darum und verfolgen ein komödiantisches Trommel-Spektakel. Überhaupt ist an diesem Samstag jede Menge los im Park. An mehreren Ecken spielen Bands. Keine Spur jedoch vom Dachshund Festival. Ein Grüppchen Dackel-Herrchen und –Frauchen, entdecke ich schließlich und frage, ob das Fest schon vorbei sei. Völlig entgeistert schauen sie mich an und wenden sich sogleich wieder ab. Ich lasse es gut sein.

Washington Square Park. Foto: Jean-Christophe Benoist/wikipedia

Am verabredeten Platz gehen Dirk und ich lächelnd aufeinander zu, so als würden wir uns längst kennen. Ein bißchen stimmt das ja auch. Anhand der Facebook-Profile haben wir etwas übereinander erfahren und ein paar E-Mails haben wir auch bereits ausgetauscht. Nun stehen wir uns gegenüber und fangen an zu reden. Dirk lebt seit 13 Jahren in New York. Ursprünglich stammt er aus Velen im Münsterland. In die Stadt gekommen ist er, um als freier Fotograf für deutsche Medien zu arbeiten und vermutlich auch ein bißchen wegen des amerikanischen Traums.  If you can make it there… Gefunden hat er darüber hinaus die große Liebe. Ohne sie wäre er vielleicht eines Tages zurückgekehrt. Aber nun wird er in New York bleiben, vielleicht für immer. Obwohl das Überleben in dieser teuren und schnell drehenden Stadt nicht immer leicht ist. Dafür ist jeder Gang durch die Straßen Inspiration für den Fotografen. Für seinen Blog Emotive Pixelations fängt er den Alltag ein, insbesondere in der New Yorker Subway. Unsere Unterhaltung gestaltet sich zunehmend unverkrampft. Mein Lampenfieber ist wie weggeblasen. Genauso wie das Dachshund Festival inzwischen in Vergessenheit geraten ist. Wir beschließen, einfach loszulaufen. Dirk hat einen Weg im Sinn. Und ich genieße es, an seiner Seite zu gehen und die Orientierung abzugeben.

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Ich war noch niemals in New York (5)

Am südöstlichen Ausgang des Central Parks liegt die Grand Army Plaza. Der Platz interessiert mich. Es ist ein Ort mit Symbolkraft, zumindest für „Sex and the City“-Fans. In der Serie begegnet Carrie genau hier zum ersten Mal ihrem „Mr. Big“. Sie rempeln zusammen, der Inhalt von Carries Handtasche verteilt sich über dem Boden, der Rest ist TV-Geschichte. An diesem bedeutsamen Schauplatz stehe ich nun, doch ein Aha-Effekt stellt sich nicht ein. Ohne das theoretische Wissen wäre mir der Platz vermutlich nicht einmal besonders ins Auge gefallen. Er wirkt recht unspektakulär, ebenso wie der Brunnen vor dem sich die Szene ereignet. Am Grand Army Plaza starten regelmäßig „Sex and the City“-Busrundfahrten. Ich hatte mich ausführlich darüber informiert und eine Tour in Erwägung gezogen. Dass ich im Laufe meines Aufenthalts nicht in einen solchen Bus einsteigen würde, entscheidet sich wohl unbewusst in diesem Moment. Bevor ich die 5th Avenue betrete, hinein ins pulsierenden New York.

5th Avenue Gewimmel. Foto: Brian Dubé, www.NewYorkDailyPhoto.com

Feuerwehreinsatz ohne erkennbaren Notfall.

Während die 5th Avenue in dem am Central Park entlang führenden Teil die großen Museen beherbergt, so sind es unterhalb des Parks die großen Geschäfte. Luxustempel wie Tiffanys, Armani, Gucci und Chanel neben Filialen jener Trend-Marken, die überall auf der Welt identische Waren anbieten. Dazwischen auch einige Souvenirläden und sogar Billiggeschäfte. Insgesamt ein riesiges Gewimmel. Reizüberflutung pur. Ich flüchte mich in den „Trump Tower“, ohne zu wissen, was sich hinter der dunkel verspiegelten Fassade verbirgt. In riesigen Lettern prangt der Name über der goldumrahmten Eingangspforte. Im Inneren setzt sich die protzige Geschmacklosigkeit fort: Brauner Marmor, goldene Geländer, goldene Rolltreppen, künstliche Pflanzen, künstlicher Wasserfall. Hässlich und faszinierend zugleich. Und für eine Besinnungspause mit Starbucks-Kaffee bei schummriger Beleuchtung allemal zu empfehlen.

Lieber Pomp à la Trump als Schlange stehen für überbewertete Mode.

Wieder auf der 5th Avenue. Das ist das New Yorker Tempo, von dem so oft die Rede ist, vor dem jeder Respekt hat. Da gilt es präzise einen Fuß vor den andern zu setzen, keine unmotivierten Schlenker zu machen und auf keinen Fall stehen zu bleiben. Das Tempo, die Geräuschkulisse, der schreienden Fassaden – das alles wird mir schnell zu viel. Shopping interessiert mich nicht. Ich möchte meine Zeit keinesfalls zwischen Kleiderständern und Schuhkartons verbringen. Deshalb biege ich irgendwann links ab, erreiche die parallel verlaufende Madison Avenue, bummele ein Stück entlang. Die Madison Avenue ist heute noch der Inbegriff für Amerikas Werbeindustrie, auch wenn viele der großen Agenturen inzwischen weggezogen sind. Aus dem Straßennamen leitet sich die Bezeichnung „Mad Men“ für Werbeschaffende ab. Würde mir einen Block weiter Don Draper, der Titelheld der gleichnamigen Fernsehserie entgegenkommen, es würde mich nach der Begegnung mit Udo Jürgens nicht mehr wundern.

1861 siedelten sich die ersten Werbeagenturen an der Madison Avenue an. Die Serie „Mad Men“ spielt in den 1960er-Jahren.

Kreuz und quer verläuft mein Weg. Während das Sich-Treiben-Lassen im Park glücksbringend war, fühle ich mich in der Hochhausschlucht ohne Plan völlig verloren. Schließlich fasse ich den Entschluss, das Museum for Modern Art anzusteuern. Lust auf einen Museumsbesuch habe ich zwar nicht, aber ich weiß, dass freitagnachmittags ab 16 Uhr kein Eintritt verlangt wird. Bei 25 Dollar regulärem Preis ist das ein schlagendes Argument. Die Schlange ist lang, aber es geht zügig voran und die Besuchermassen verteilen sich auf den sechs Etagen besser als erwartet. Ich konzentriere mich auf die Sektion „Zeitgenössische Galerien (1980 bis heute)“ und treffe dort auf allerhand Kunst aus Deutschland, die ich in dem Umfang nicht erwartet hätte. Besonders freue ich mich über die Begegnung mit Werken von Martin Kippenberger. Martin and me at the Moma. Das bringt mich dazu, etwas zu tun, das ich eigentlich gar nicht mag: Ich bitte einen Fremden, ein Foto von mir zu machen – neben der Skulptur des 1953 geborenen und 1997 viel zu jung verstorbenen Kölner Künstlers. Auf Englisch spreche ich einen jungen Mann an. Er antwortet auf Deutsch. Peinlich berührt grinse ich neben der Skulptur „Martin, Into the Corner, You should be Ashamed of Yourself“ von 1992 in die Linse meiner eigenen Kamera. Wie passend! Anschließend nehme ich mir in Etage 3 die Sektion „Fotografie“ vor, gefolgt von der Sonderausstellung, die sich mit der von mir geschätzten Cindy Sherman beschäftigt. Großartig, alles, aber noch mehr kann ich beim besten Willen nicht aufnehmen.

Im Erdgeschoss drängeln sich die Besucher, die alten Meister sind begehrt, doch bei der Zeitgenössischen Kunst hält sich der Anstrum noch in Grenzen.  Foto: Anthony Starks/flickr cc

Es fängt an zu dämmern als ich das Museum verlasse. Die 6th Avenue, besser bekannt als Avenue of the Americas, ein paar Block hinunter, erreiche ich den Bryant Park. Er wurde mir von einem Freund ans Herz gelegt: „Hier kannst du Ruhe finden, einen Kaffee trinken, das Treiben beobachten und die Geräuschkulisse belauschen.“  Und wirklich: Der kleine Bryant Park ist eine echte Oase inmitten von Hochhäusern mit Blick auf das Crysler und Empire State Building. Er liegt direkt hinter der Public Libary. Rundherum haben sich zahlreiche Hotels angesiedelt. Am Rand der Wiese sind kleine Sitzgruppen verteilt. Einfache Klappstühle mit runden Tischen aus grünem Metall als Einladung an die Besucher. Ich lasse mich nieder. Und lausche der Stadt. Aber nicht lange. Denn dann gesellt sich ein älterer Mann zu mir. Ich schätze ihn auf Ende Sechzig. Seine Kleidung ist schlicht, aber gepflegt. Ein dünner Bart zieht seine Oberlippe. Er beginnt ein Gespräch, fragt, woher ich komme. Ich gehe zögerlich darauf ein. Ehe ich mich versehe, bin ich mittendrin in der Geschichte seines Lebens. Ich verstehe nur einen Bruchteil der in rasendem Tempo vorgetragenen Anekdoten und bevor ich etwas sagen kann, verabschiedet er sich. Es dauert einige Minuten, bis ich auf die Idee komme, nachzusehen, ob mein Portemonnai noch da ist. Als ich es nicht sofort entdecke, wird mir heiß und kalt. Nach kurzem Wühlen jedoch erweist sich der Verdacht als falsch. Der Mann wollte mir nichts wegnehmen, im Gegenteil: Er wollte etwas loswerden.

Oase der Ruhe im quirligen Midtown: der Bryant Park.

Inzwischen ist es dunkel. Ich laufe die am Bryant Park angrenzende 42nd Street in Richtung Grand Central Station. Der erwartete Überschwang beim Anblick der Marmortreppe im Bahnhofsinneren, die in Filmen so oft und gerne in Szene gesetzt wurde, bleibt aus. Es ist derselbe Effekt wie bereits einige Stunden zuvor am „Sex and the City“-Brunnen. Das Ganze wirkt viel unspektakulärer als gedacht. Schön ist das Gebäude zweifellos, aber eben nicht so wie im Film. Oder liegt es an mir? Mein Aufnahmekapazität ist hart an der Grenze angelangt. So viele Eindrück an einem einzigen Tag! Im Apple Store logge ich mich kurz ins Internet ein. Ich möchte mit Dirk in Kontakt treten. Er lebt als Fotograf in New York. Ich kenne ihn bislang nur virtuell, aber das soll sich jetzt ändern. Dirk ist gerade online und eine Verabredung für den nächsten Tag schnell getroffen. Auf dem Heimweg noch ein kurze Abstecher an den Times Square, weil ich dort ohnehin umsteigen muss, sorgt für wenig Begeisterung. Ich will jetzt nur noch eines: nach Hause ins Upper West End. Und genau da passiert es: anstelle eines „Local Trains“ erwische ich einen „Express“, der nur an jeder 5. Station anhält. Ehe ich es realisiere, bin ich zu weit gefahren, muss umsteigen und etliche Stationen zurück, diesmal mit einem Zug, der überall anhält. Als ich an diesem Abend Simones Wohnung betrete, falle ich sofort ins Bett.

Die Grand Central Station wirkt zwischen den Wolkenkratzern wie ein Schmuckkästchen, das aus Versehen stehen gelassen wurde. Im Inneren funkeln von der hohen Gewölbedecke nachts künstliche Sterne. Am Times Square leuchtet die Reklame Tag und Nacht.

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Ich war noch niemals in New York (4)

Zufälle gibt’s, die gibt es gar nicht. Einen Blogeintrag mit dem Titel „Ich war noch niemals in New York“ schreiben, ein paar Tage später dort hinfliegen und dann im Central Park auf den Interpreten eben dieser Zeile treffen – das ist so ein Zufall. Total unglaubwürdig. Aber genau so hat es sich zugetragen. An dem Tag als ich das erste Mal in meinem Leben in New York aufgewacht bin.

Fünf Uhr Ortszeit, zehn auf meiner inneren Uhr. Raus aus dem Bett, meldet sie. Aber ich drehe mich noch einmal um und es gelingt mir tatsächlich, wieder einzuschlafen. Vier Stunden später stehe ich auf. Alles ist ruhig. Ich habe die ganze Wohnung für mich alleine. Der perfekte Start. Ich koche Kaffee, esse einen Banana-Muffins, den ich am Vorabend im Supermarkt besorgt hatte, ein echter Morgenversüßer, und komme allmählich zu mir. Sechstausend Kilometer entfernt von der Heimat. Die Seele ist nicht so schnell wie ein Flugzeug und hinkt irritiert hinterher. Ich lasse mir Zeit.

My Deli: 108th Street West. Die rote Hand bedeutet Fußgängern zu warten.

Gegen Mittag breche ich schließlich auf, mit dem Plan, durch den Central Park nach Midtown zu spazieren, um mich dort in die Hochhausschluchten zu stürzen und den berühmten Time Square zu besuchen. Im nahe gelegenen „Deli“ besorge ich mir einen Pappbecher Kaffee. Die so genannten Geschäfte gibt es in New York an jeder Ecke: kleine, oft chaotisch anmutende Läden, die durchgehend kalte und warme Snacks anbieten, aber auch ein buntes Sortiment an Waren, die zur Basisversorgung im Alltag gehören. Im Park lasse ich mich treiben, laufe aufs Geratewohl. New Yorks grüne Lunge ist 4 Kilometer lang und 800 Meter breit. Es gibt ein paar Straßen, die von Autos befahren werden dürfen und entlang dieser Straßen separate Steifen für Radfahrer und Jogger. Daneben finden sich aber auch abgelegene, holperige Wege, die man in einem Stadtpark nicht erwarten würde. Ich sauge alles in mich ein. Himmel, Bäume und die dahinter durchschimmernden Gebäude fließen zu einem großen Gemälde zusammen und mit einem Mal kommen mir die Tränen, so überwältigt bin ich. Im Gegensatz zu der ersten Spazierrunde am Vorabend wie unter eine Glocke, spüre ich jetzt alles hyperreal. Mit jeder Faser meines Körpers nehme ich die Umgebung wahr – und gleichzeitig bin ich völlig fassungslos, tatsächlich da zu sein, in New York.

Natur und Architektur als Gesamtkunstwerk mit Gänsehautfaktor.

Begleitet von diesem Hochgefühl passiere „North Meadow“, ein großzügiges Areal mit zahlreichen Sportfeldern und die Tennisplätze von „South Meadow“. Anschließend treffe ich auf das „Jacqueline Onassis Reservoire“, eine riesige Wasserfläche, die man nicht verfehlen kann, weil sie im mittleren Teil den Park in seiner Breite beinahe komplett einnimmt. Der umliegende Rundweg ist bei Joggern beliebt. Dementsprechend dicht laufen sie hintereinander her. Ich mache einen Schlenker zur 5th Avenue, die den Park im Osten säumt. Guggenheim Museum und Metropolitan Museum of Art liegen nicht weit voneinander entfernt. Nichts in der Welt würde mich jetzt dazu bringen, einen der Kunsttempel zu betreten. Ich will weiterlaufen, immer weiter. Wieder quer hinüber auf die Westseite, vorbei an „The Lake“, einem weiteren von insgesamt sieben Seen im Park. Dann  zu den „Strawberry Fields“, einem Garten, den Yoko Ono 1983 zum Gedenken an John Lennon angelegt hat – mit dazu gehörigem „Imagine-Mosaik“, eher unspektakulär, doch von großer Anziehungskraft für Beatles-Fans aus aller Welt.

Jackie Onassis Reservoir: tolle Aussicht bei festgelegter Laufrichtung.

„A-Capella Soul“ open air. Guggenheim und Metropolitan müssen warten.

Schlossarteige Appartmenthäuser aus den 30er Jahren säumen den Park an der Upper West Side. John Lennon lebte hier mit seiner Famile in den von Promis begehrten „Dakota Appartments“. Davor trafen ihn 1980 die tödlichen Schüsse.  Unweit befindet sich die „Imagine“-Gedenkstätte.

Noch ein Stück weiter treffe ich auf die Liegewiese „Sheep Meadow“ – die Wolkenkratzer von Midtown im Hintergrund. Eine Postkartenansicht, die ich nicht zum ersten Mal, aber zum ersten Mal mit eigenen Augen sehe. Wie auf dem Bild im Reiseführer haben sich Menschen auf der Grünfläche niedergelassen. Am Rand fällt mir eine Gruppe auf, die professionelle Fotos zu machen scheint, und werde neugierig. Ein Mann steht im Mittelpunkt, nicht mehr der Jüngste,  in Jeans und Sakko, der unterschiedliche Posen einnimmt. Ich vermute Modefotografie für Best Ager oder so etwas in der Art, als ich mich langsam nähere. Dann traue ich meinen Augen nicht. Noch näher trete ich heran, um mich zu vergewissern. Nun höre ich deutsche Wortfetzen. Und meine Vermutung bestätigt sich. „Schauen Sie bitte etwas nach links und das Kinn leicht anheben, Herr Jürgens…“  befiehlt die Fotografin in höflichem Ton. Ich hole meine Kamera heraus. Niemand beachtet mich.

Udo – Ich war noch niemals in New York – Jürgens  setzt sich vor imposanter Skyline Kulisse gekonnt in Szene. Schon bald sind alle zufrieden. Die Gruppe zieht weiter. Ich bleibe zurück, schaue mir die Bilder auf dem Display meiner Kamera an, um mich zu vergewissern, dass diese Begegnung tatsächlich stattgefunden hat. Die Bilder sind da. Alles echt. Dabei konnte ich es vorher doch schon kaum glauben, dass das alles Wirklichkeit ist.

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Ich war noch niemals in New York (3)

Die S-Bahn Richtung Flughafen Frankfurt hält auf freier Strecke. Kurz darauf gibt es eine Durchsage.  Die Weiterfahrt würde sich verzögern und die Bahn könne nur bis zum Stadtrand verkehren. Wegen eines Personenschadens. Nein, das ist jetzt nicht wahr!, denke ich und gleich darauf: Das muss Schicksal sein, ein Zeichen! Die Reise ist keine gute Idee und dies eine unmissverständliche Warnung. Innerlich gerate ich in Panik. Als die Bahn anrollt, ermahne ich mich selbst zur Ruhe und fasse den Entschluss, bei der nächsten Gelegenheit, die sich bietet, auszusteigen und ein Taxi zu rufen. Don’t stop me now. Jetzt nicht mehr!

Ankunft JFK gegen 15 Uhr, also 21 Uhr nach deutscher Zeit.  Der achtstündige Flug ist entgegen allen Befürchtung sehr angenehm verlaufen. Nicht etwa der dauerquaselnder Widerling mit Mundgeruch aus meiner Fantasie hatte den Platz neben mir eingenommen, sondern die auf Anhieb sympathische, ebenfalls allein reisende Angelika. Zum Abschied umarmen wir uns sogar. Angelika will weiter nach New Jersey, Freunde besuchen. Durch die Sicherheitskontrollen geht es zügig; am Taxistand dann eine riesige Schlange. Fröstelnd stehe ich da. Der Himmel über New York ist Grau in Grau, dazu Nieselregen. Dabei hatte ich es mir so schön ausgemalt: Mit dem Taxi über die Brooklyn Bridge und einen spektakulären ersten Blick auf Manhattans Skyline. Doch die erhoffte Aussicht bleibt hinter einem Schleier aus Regen und Nebel verborgen. Ich bin sauer. Umso mehr freut mich der nette Empfang in meinem New Yorker Zuhause.

Es ist eine echte Wohlfühlwohnung, bis ins Detail liebevoll eingerichtet. Das Zimmer ist klein. Dafür dürfen Küche und Wohnzimmer mitbenutzt werden. Gastgeberin Simone hat einen Zettel mit den wichtigsten Informationen über Geschäfte und Restaurants in der Nähe zusammengestellt und auch einige Regeln, die im Zusammenleben zu beachten sind. Insgesamt drei Zimmer vermietet die Kölnerin, die seit zwölf Jahren in New York lebt. Außer mir sind zwei junge Frauen aus Kiel zu Gast und eine Ärztin aus Köln. Ich begegne den anderen stets nur flüchtig.

Central Park Vacation heißt die Website zur Wohnung.  Es gibt zwar keine direkte Aussicht ins Grüne, aber der Park ist nur wenige Meter entfernt. Kaum habe ich den Koffer ausgepackt, zieht es mich dorthin. Es ist 18 Uhr, für mich: Mitternacht. Zahlreiche Jogger sind unterwegs. Ein Mann mit Rucksack bittet mich, mit seiner Kamera ein Foto von ihm zu machen. Anschließend besteht er darauf, auch ein Bild von mir aufzunehmen, mit meiner Kamera, vor derselben Kulisse. „I love Central Park“ sagt er und dass er einmal im Jahr aus Wyoming nach New York reist, um ein paar Tage hier spazieren zu gehen. Er zeigt mir den Weg zum Great Hill. Um diese Uhrzeit scheint der Hügel ein Treffpunkt für Hundebesitzer zu sein. Die versammelten Herrchen und Frauchen machen auf mich einen neurotischen Eindruck – Projekt Hund, statt Projekt Kind – und einige der vierbeinigen Freunde sind für ein Leben in der Großstadt reichlich überdimensioniert.

Me at „The Pool“ (Foto: Wyoming Man)

„Great Hill“ – ohne Hunde und ihre Liebhaber/innen

Bevor ich nach der ersten Erkundungstour zurück in die Wohnung gehe, mache ich noch einen Abstecher in den Supermarkt. Von wegen Junk Food und Trash! Es gibt Unmengen Obst und Gemüse in allen möglichen Variationen. Es gibt Frischetheken mit Salaten und einer schier unendlichen Auswahl an fertigen Gerichten in Feinkostqualität. Und das Zauberwort heißt „Organic“. Bei den Milchprodukten dominiert „Low Fat“ in unüberschaubaren Abstufungen. Milch mit normalem Fettgehalt zu finden, kostet mich eine gefühlte halbe Stunde. Außerdem kaufe ich Mineralwasser in einem imposanten 3-Liter-Kanister, Bananen-Muffins und Orangensaft fürs Frühstück, Chips und Bier für den Dämmerschoppen.  Über die Preise für ganz normale Lebensmittel staune ich nicht schlecht. Später liege ich auf dem Bett und mache Pläne für den nächsten Tag. Möglichst lange Durchhalten am Ankunftstag, hatten Freunde mir geraten, so überstehe man die Zeitumstellung besser. Es ist vier Uhr morgens deutscher Zeit, 22 Uhr in New York, als ich mich schließlich dem Schlaf hingebe.

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Ich war noch niemals in New York (2)

First of all: Ich bin sehr froh, dass ich mich alleine auf den Weg gemacht habe. Mehr als einmal stand das Vorhaben auf der Kippe. Letztendlich siegte die Neugier. Nachträglich erscheinen mir die Bedenken, die ich im Vorfeld hatte, übertrieben. Kaum war ich in New York angekommen, lösten sich in Luft auf. Dennoch gab es etliche Momente, da hätte ich gerne jemanden an meiner Seite gehabt. Momente, die so überwältigend waren, dass ich sie gerne geteilt hätte. Oder solche, in denen ich erschöpft war, aber immer weiter getrieben wurde, weil mir Alleine-Herumlaufen eher liegt als Alleine-auf-einer-Bank-Sitzen. Durch das ununterbrochene Flanieren, auch fern ab der üblichen Sightseeing-Routen, habe ich sehr viel gesehen von Manhattan und Brooklyn. Die Eindrücke arbeitet nach wie vor in mir.  Die Stadt hat mich tief beeindruckt. Sie hat meine Gedanken mit neuen Impulsen aufgeladen. Energie, die ich mit nach Hause genommen habe.

Meinen Reisebericht möchte ich mit den letzten Stunden in New York beginnen: eine Abschiedrunde durch „mein Viertel“ rund um die 107th Street im oberen, westlichen Manhatten. Die Columbia University liegt in der Nähe, der Central Park direkt vor der Tür und der weitgehend unbekannte, sehr schöne Morning Side Park ist nur drei Blocks entfernt. Die Upper West Side zählt nicht zu den In-Vierteln Manhattans, wie etwa Soho, Chelsea oder Greenwich Village, wo angesagte Cafés und Designläden die Straßen säumen. Geschäfte und Lokale gibt es zwar rund um den Broadway reichlich, jedoch ohne Hipnessfaktor. Abends ist es vergleichsweise ruhig.  Das muss man mögen. Ich tue es: mein Haus, meine Straße, mein Central Park, meine Metro-Station…

… meine letzte Mahlzeit…

Pizza in  einer Filiale der „Famous Famiglia Pizzeria“. Ein unspektakulärer Ort – Broadway, Ecke 111th Street – und doch sitze ich, wie immer, staunend da und sauge die Atmosphäre in mich ein.  Die erste Pizzeria dieser Art eröffneten 1986 vier in den 70ern mit ihrer Mutter eingewanderte Brüder. Heute besitzen sie Filialen in ganz Amerika. Eine von vielen Geschichten, in denen der „American Dream“ wahr geworden ist. Die Pizza in Ordung. Die Brüder haben alles richtig gemacht. Auf der Serviette steht: „Famous Famiglia has been the Official Pizza of The New York Yankees since 2003”. New York Yankees, denke ich, dürfen die so etwas überhaupt essen?

Während ich dann meine Kamera auf den leeren Pappteller richte, spielt im Hintergrund Madonnas „Holiday“ – ein wichtiges Stück auf dem Soundtrack meines Lebens. Ich muss schmunzeln, nehme den letzten Schluck Wasser und räume das Tablett weg. Wenig später stehe ich mit meinem Koffer, der mit amerikanischen Süßigkeiten und weiteren  Schätzen für die Daheimgeblieben prall gefüllt ist, in der „E Line“ Richtung Queens, Jamaica Center – mitten im dicksten Berufsverkehr. Die Verbindung hatte mir zuvor ein Mitarbeiter der New Yorker Verkehrsbetriebe mit Engelsgeduld erklärt. „You are a tourist, I have to help you“ sagte er mehr zu sich selbst als zu mir bevor er – wahrscheinlich unerlaubt – sein Kassenhäuschen verließ, um auf dem U-Bahn-Plan die Umsteigebahnhöfe für mich mit Kugelschreiber einzukringeln. Im Zugabteil ist es eiskalt, aber angenehm ruhig. Mobiltelefone funktionieren im New Yorker Untergrund nicht, die Klimaanlage schon. Die von meiner Schulter baumelnde  I ♥NY Tasche ist mir ein bißchen peinlich. Doch konnte ich auf der Suche nach Souvenirs partout nicht an ihr vorbei gehen. So ist es eben: I LOVE NEW YORK. Es war nicht ganz Liebe auf den ersten Blick…  Fortsetzung folgt.

… mein Zimmer.

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Ich war noch niemals in New York (1)

Allein nach New York. Geplant war das so nicht. Zwei Tickets waren an einem Nachmittag im Februar spontan gebucht worden. Wenig später wurde eines davon wieder storniert. Und nun hatte ich die Wahl. Die Wahl zwischen ebenfalls zu Hause bleiben und alleine reisen. Nach einigem hin- und her habe ich mich für letzteres entscheiden. Leicht gefallen ist mir das nicht. Obwohl der Trip nach New York schon seit 20 Jahren ein Traum von mir ist. Ich fand viele Gründe, die gegen das Alleinreisen sprechen. Letztendlich habe ich es der Ermutigung von Freunden und deren hilfreichen Tipps zu verdanken, dass ich mich auf den Weg mache. Unter anderem bekam ich einen Hinweis auf schönes und bezahlbares Privatzimmer in guter Lage, direkt am Central Park bei einer Kölnerin, die seit 10 Jahren in New York lebt. Mit der Entscheidung für das Zimmer kam das Gefühl der Sicherheit. Ich habe eine Anlaufstelle. Eine Adresse in Manhattan, ein eigenes Zimmer mit Küchen- und Wohnzimmermitbenutzung. Home away from home.

In wenigen Tage geht es los. Inzwischen fühle ich mich gut vorbereitet. Sogar einen Facebook-Freund habe ich jetzt in New York. Visum und Kreditkarte liegen bereit. Der gültige Reisepass auch. Ich habe allerhand Informationen gesammelt, Reiseführer gelesen, Wissenswertes aus dem Internet ausgedruckt und mir eine „Maybe-Do-List“ zusammengestellt. Es sind viel mehr Punkte darauf notiert als in fünf Tagen „abzuhaken“ wären, soviel steht fest. Das ist allerdings auch gar nicht mein Ziel. Ich habe mir vorgenommen, mich täglich spontan zu entscheiden, je nach Lust, Laune, Energie und Wetterlage. Ich nehme mir nichts 100% fest vor – nicht einmal den Blick vom Empire State Building. Erst einmal will ich ankommen, am Flughafen, dann in meinem Zuhause auf Zeit. Wenn ich dort meinen Koffer abstelle, werde ich schon einiges von der Stadt gesehen haben. Alles weitere lasse ich auf mich zukommen.

Meine persönlichen NYC-Reiseführer: Links ein schmaler Band aus dem Jahr 1992 als ich zum ersten Mal die Idee hatte. In der Mitte ein „Max City Guide“ von 1997 als ich immer noch die Idee hatte. Unten: „Aus der Reihe Interessante Ausflugsziele heute: New York“ aus dem Jahr 1999 – kürzlich freundlicherweise überreicht durch die Autorin Verena Lettmayer. Und last but not least die Neuerwerbung: „New York Low Budget“ (2011), ein handliches Büchlein, das tatsächlich sehr viele sehr wertvolle Tipps enthält wie man mit wenig Geld viel erleben kann.

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I’m a real BOYfriend

Zum Geburtstag, vergangenen September, schenkte mir Herr S. die CD von BOY. „Mutual Friends“ war soeben erst erschienen. Den Song “Little Numbers” hatte ich zuvor schon einmal im Radio gehört und gleich gemocht. Und auch die anderen 11 Stücke erreichten beim ersten Hören sofort mein Herz. Im Februar traten Valeska Steiner und Sonja Glass bei der Abschluss-Gala der Berliner Filmfestspiele auf. Im Radio waren sie inzwischen häufig zu hören. Restlos begeistert war ich schließlich nach dem Konzert, das ich Anfang März in der Darmstädter Centralstation besucht habe. Live sind sie noch einmal mehr berauschend. Mit einem Auftritt in Hamburg ist gestern die aktuelle Deutschland-Tournee beendet worden. Jetzt geht es weiter nach London, Amsterdam, Paris und den kompletten Sommer hindurch spielen BOY auf diversen Festivals. Eine Termine-Übersicht gibt es  HIER. Vermutlich werden sie sich anschließend zurück ziehen, neue Stücke schreiben nach denen sich immer mehr Fans sehnen. Es wird spannend werden, den Weg des Deutsch-Schweizer-Duos zu verfolgen… Nachstehend mein Konzertbericht erschienen in der Offenbach Post vom Donnerstag, 8. März 2012.

Direkt ins Zentrum des Glücks
BOY in der Centralstation
Von Anke Steinfadt
 

Darmstadt – Am Ende möchte man am liebsten, dass es noch einmal von vorne losgeht. „Ihr wisst, wir haben nur zwölf Stücke“ sagt Valeska Steiner nach einer guten Stunde Konzertdauer, „aber wir können euch ‚Skin’ noch mal akustisch spielen…“ Das Publikum in der ausverkauften Darmstädter Centralstation nimmt das Angebot applaudierend an. Es ist von den beiden Damen, die sich BOY nennen, sichtlich begeistert. Die zweite im Bunde ist Sonja Glass. Sie ist Hamburgerin, Steiner kommt aus der Schweiz. Seit 2007 machen sie gemeinsam Musik, Songwriter-Pop, eingängig, aber nicht glatt. Mit dem Album „Mutual Friends“, das sie im vergangenen Jahr aufgenommen haben, sind sie zum Überraschungsnewcomer des Jahres avanciert. Neuerdings sind sie sogar in Werbesongs zu hören.

BOY sind hip. Das lässt sich auch am Publikum ablesen. Es ist, wenn nicht ausschließlich, so doch vorwiegend unter Dreißig. Die Nerd-Brillen-Dichte ist hoch und auch sonst zeigt man sich modebewusst. Die Vorgruppe „Husky“ aus Australien passt ins Bild und stimmt auf musikalisch unaufgeregte Weise auf die BOY-Frauen ein, die live mit zwei Schlagzeugern, einem Gitaristen und einen Keyboarder auftreten. Sonja Glass spielt Bass. Valeska Steiner steuert ihre bezaubernde Stimme bei, manchmal ist sie an der Gitarre. Die Ansagen sind fast ausschließlich ihre Sache. Mit leichtem schweizerischen Akzent spricht sie freundschaftlich mit den Fans und erzählt persönliche Anekdoten zur Entstehung der Songs.

Das bislang bekannteste, gute Laune produzierende „Little Numbers“ bildet den Abschluss des Konzerts. Höhepunkt jedoch sind die Zugaben, bei denen die beiden zu allem Talent auch noch unglaublich hübschen Musikerinnen mit ihren Instrumenten alleine auf die Bühne kommen. Bei dezentem Licht stellen sie auch einen neuen Song vor, den sie auf Tour geschrieben haben, über die Einsamkeit von Hotelzimmern. Dieser letzte Teil ist der intensivste des Abends. Denn so ist BOY besonders schön – reduziert, akustisch, auf die Stimme fokussiert. Das geht tief unter die Haut in den Bauch und von dort auf direktem Weg ins Glückszentrum des Gehirns.

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Von virtuellen Festspielen und dem wahren Leben

Seit knapp vierzehn Tagen bin ich zurück vom virtuellen Berlinale-Trip. Schön war’s, wenngleich ich das Geschehen weniger ausgiebig verfolgen konnte, als ich es mir vorgenommen hatte. Die meisten Fernsehberichte habe ich verpasst. Wenige Pressekonferenzen habe ich im Livestream gesehen. Und selten gelang es mir, den Berlinale-Teil des Tagesspiegels direkt am Erscheinungstag zu lesen. Es ist der Alltag, der einem bei so einem Vorhaben mit unerbittlicher Penetranz ständig einen Strich durch die Rechnung macht.

Das Leben ist ja kein dunkler Kinosaal in dem Ruhe und Konzentration herrscht, wo man nicht angesprochen wird und die Zeit auf wunderbare Weise still zu stehen scheint. Leben, das ist Geldverdienen, Wäschewaschen, Brote schmieren, Einkaufen, Hausaufgaben kontrollieren, Überweisungen tätigen et cetera. Plus Krisenmanagement. Die Autobatterie ersetzen, weil sie den Geist aufgibt, beispielsweise. Oder tagelang wegen eines Ersatzteils für die Spülmaschine herumgelefonieren. Solche Dinge, die sich nicht mal eben aufschieben lassen, bloß weil man gerade virtuell in Berlin ist.

Wie dem auch sei. Zumindest habe ich 2012 vom Festival mehr mitbekommen als in den Jahren zuvor.  Ich bin auf viele Filme gestoßen, die ich gerne sehen möchte; einige kommen im Laufe des Jahres ins Kino. Über den Regie-Bären an Christian Petzold für „Barbara“ habe ich mich sehr gefreut. Enttäuscht war ich darüber, dass Corinna Harfouch für ihre Darstellung in „Was bleibt“ nicht den Schauspielerinnen-Bären erhalten hat, den sie doch längst einmal verdient hätte. Viele der Preisvergaben waren schwer nachvollziehbar. Aber das ist ja meistens so in Berlin. Es werden die Filme prämiert mit denen die Kritiker am wenigsten gerechnet hätten.

Eine schöne Randnotiz gibt es: Der Blogeintrag „Berlinale im Landkreis Offenbach“ wurde auf der Facebook-Seite des Tagesspiegels lanciert. Am Tag des Postings kamen überdurchschnittlich viele Besucher vorbei und ich musste mich ganz schön ins Zeug legen, alle Gäste mit Sekt, Kaffee und kleinen Köstlichkeiten aus der Region zu bewirten. Die spontane Off-Berlinale-Party war mir ein großes Vergnügen.

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Die Couch-Berlinale ist eröffnet

Nicht auszudenken, wenn ich bei der Eröffnungsgala eines schönen Tages einmal selbst dabei sein könnte. Vermutlich würde ich dahinschmelzen. Ich bekomme ja schon vor dem Fernseher Gänsehaut. So wie gestern wieder. Nicht, dass die Veranstaltung an sich so überwältigend wäre, vielmehr ist es diese besondere Atmosphäre. Bei körperlicher Anwesenheit geht es einem wahrscheinlich durch Mark und Bein: Da sitzen Menschen aus aller Herren Länder, die Filme lieben und im Filmgeschäft ihre Lebensaufgabe gefunden haben. Und für die Dauer der Gala erscheint es so, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt als bewegte Bilder, die Geschichten erzählen. Ich finde das schön.

Berlinale, das sind 18 Wettbewerbsfilme, allesamt Weltpremieren, die im Mitelpunnkt der Aufmerksamkeit stehen, und  insgesamt 395 Filme aus 67 Ländern, die in 866 öffentlichen Vorführungen gezeigt werden. Einfach gigantisch. Dank „Berlinale Programm“ und „Berlinale Journal“, die ich auf Anfrage tatsächlich zugeschickt bekam, sowie dem Tagesspiegel-Abo bin ich auf dem Laufenden. Natürlich gibt es das alles auch im Internet. Dazu kommen die TV-Berichterstattungen. Großartig ist die von den Organisatoren bis ins Detail zusammengetragene Übersicht „Berlinale im Fernsehen“, die man als PDF herunterladen kann. Ein weiteres Highlight: Die Pressekonferenzen zu den Wettbewerbsfilmen werden per Livestream übertragen. Zur Teilnahme geht es: HIER.

Ich werde die medialen und digitalen Möglichkeiten in der kommenden Woche voll und ganz ausschöpfen. Virtuell teilzunehmen ist zwar nicht dasselbe, aber besser als gar nichts. Im nächsten Jahr, ja im nächsten Jahr, da werde ich mich früher um den Berlinale-Trip kümmern und endlich wieder mit Haut und Haaren dabei sein. Jawohl! Und nun,  liebe (Film-)Freundinnen und -freunde bin ich im Geiste in Berlin. Das Mobiltelefon bleibt natürlich ausgeschaltet.

Immer wieder ist dieses Sofa Schauplatz von Großereignissen aller Art wie 2011 beispielsweise der Eurovision Song Contest und die Frauenfußball WM.

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Wem der Gong schlägt

Jeden Morgen, hauptsächlich in der Zeit von 7:40 Uhr bis 7:55 Uhr, zwei Grundschüler vom zwanghaften Trödeln abzuhalten, kostet viel Energie. Dazu noch frustrierend ist es, wenn sie trotz aller Bemühungen nicht rechtzeitig aus dem Haus kommen, um pünktlich um 8 Uhr in der Schule zu sein. Ergänzend muss ich erwähnen, dass die Entfernung zwischen Haustür und Pausenhof nicht einmal zwei Minuten beträgt. Mit Ausreden für zu spätes Kommen sieht es entsprechend mager aus. Aus diesem Grund löst die Vorstellung, die Kinder betreten den Klassenraum unpünktlich, bei mir auch sofort ein Schuldkomplex aus. Die Lehrerinnen wissen wo wir wohnen. Folglich muss ihr erster Gedanke sein: Mannomann, was ist das denn für ein Elternhaus, direkt gegenüber der Schule, aber nicht in der Lage, den Nachwuchs pünktlich dort erscheinen zu lassen.

Neulich habe ich jedoch beschlossen, mich von dieser Annahme nicht mehr in die auszehrende Rolle der Antreiberin drängen zu lassen, sondern den Spieß umzudrehen. Ich fragte mich, ob die Kinder seitens der Schule denn nicht zur Pünktlichkeit angehalten werden. Sicherlich würden sie weniger trödeln, wenn eine verspätete Ankunft Konsequenzen hätte. Erstmal eine Ermahnung, dann noch eine, darauf folgend eine Strafarbeit oder Nachsitzen. Das wären logische Konsequenzen. Wirkungsvoller als meine mit hochrotem Kopf vorgetragenen Parolen sicherlich.

Das neue Morgenprocedere sieht nun so aus, dass ich wie gewohnt die Kleider herauslege, Brote schmiere und Turnbeutel bereitlege. Darüber hinaus jedoch nur noch in regelmäßigen Abständen mit kräftiger Stimme die Uhrzeit verkünde. Kinder, es ist 7:48, 7:53, 7:58 Uhr. Wenn ich gut gelaunt bin, füge ich ab und an ein munteres „Beeilt euch!“ hinzu. Das Bellen habe ich mir abgewöhnt.

Was soll ich sagen? Es funktioniert. Das Getrödel hat zwar nicht vollends aufgehört, ist aber deutlich weniger geworden. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Ich weiß nicht, ob das Leben in Gestalt der Klassenlehrerinnen dies erledigt hat oder ob die Kinder in dem Moment ich als hysterische Feldherrin abdankte, Eigenverantwortung übernommen haben. Mag auch sein, dass bis zu 5-minütiges Zuspätkommen von den modernen Lehranstalten stillschweigend geduldet wird und ich mich viel zu lange Zeit umsonst verrückt gemacht habe. Fakt ist, dass die Tage jetzt entspannt beginnen.

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Frankfurt am roten Teppich

Das Tolle an einem privaten Blog ist, dass man weder aktuell noch sortiert sein muss – wie etwa bei einer Tageszeitung – sondern völlig herrschaftsfrei vor sich hin veröffentlichen kann. In diesem Sinne erlaube ich mir, kurz bevor es mit den Filmfestspielen in Berlin losgeht, mit erheblicher Verspätung noch einmal auf die Verleihung des Hessischen Filmpreises 2011 in Frankfurt zurückzukommen.

Die Einladung erhielt ich, wenn man es so will, durch Mark Zuckerberg, genauer gesagt durch meine Aktivitäten in seinem sozialen Netzwerk. Dort hatte ich Heike-Melba Fendel als „Freund“ gefunden, eine echte TausendsassaIn im deutschen Filmbiz mit ihrer Agentur Barbarella Entertainment. Seit vielen Jahren organisiert sie die Hessischen Filmpreisverleihungen in der Alten Oper. Ein Abend mit Stars und Sternchen, Schnittchen und allem, was sonst noch dazu gehört. Und ich seit vielen Jahren mal wieder auf der Gästeliste, ganz real.

Im Wesentlichen verlief der Abend so, wie tags darauf in der FAZ berichtet und HIER nachzulesen. Wenngleich die Häme der Autorin reichlich übertrieben ist. Filmpreisverleihungen, könnte man sagen, laufen überall auf der Welt krampfig ab. Es liegt wohl in der Natur der Sache bei derlei Veranstaltungen. Laudatio, Dankesrede, Auflockerungswitzchen, Laudatio, Dankesrede und so weiter. Ein Quäntchen Peinlichkeit und eine gewisse Langatmigkeit gehört einfach dazu. In Frankfurt sollte sich die Presse grundsätzlich allerdings freuen, wenn anstelle von grauer Polit- und Wirtschaftsprominenz zur Abwechslung ein buntes Volk Filmschaffender über den roten Teppich stolziert. Wen kümmern da verpatzte Anekdoten, peinliche Verwechselungen, gequält vorgetragene Ansprachen. Das ist eben Gala.

Ich habe mich sehr gut amüsiert an diesem Abend. Filmische Entdeckung war für mich „n gschichtn“ von Eva Becker, ausgezeichnet als „Bester Kurzfilm“. Mehr persönliche Highlights: Ulrich Matthes im menschenleeren Treppenhaus begegnet und irgendwie verschwörerisch zurückgelächelt; August Zirner zufällig die Hand geschüttelt; die Gastgeberin Heike-Melba Fendel persönlich getroffen, ein paar Worte gewechselt; sowie mit ehemaligen Kolleginnen und Kollegen Schwätzchen gehalten; Matthias Schweighöfer beobachtet, wie er auch fernab der Bühne den Clown mimt – und, und, und. Kurz: Es war toll. Erwähnt werden soll auch das köstliche Meeresfrüchte-Risotto und die niemals leer werdenden Weintabletts der freundlichen Servicekräfte. Die letzte S-Bahn zu erwischen, stellte eine echte Herausforderung dar.

 

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